Kaum haben wir die imaginäre Grenze zu Wales passiert wähnen wir uns in einer anderen Welt. Alle Straßen- und Hinweisschilder sind nicht nur in englischer Sprache, sondern auch in Walisisch. Der englische Dialekt oder Slang der Einheimischen ist für unsere Ohren nur sehr schwer zu verstehen und ich habe das Gefühl, die reden in einer Sprache, die ich nie gelernt habe. Wenn dann die Unterhaltungen auch noch in walisisch geführt werden, dann ist sowieso alles zu spät.
Nachdem wir einen Tag lang das Wye Valley, direkt an der „Grenze“ gelegen, erkundet haben, hat es uns dann wieder ans Meer gezogen. Die größeren Städte Cardiff und Swansea haben wir dabei ausgelassen. Die Beschreibungen im Reiseführer haben uns nicht wirklich darauf neugierig gemacht und was wir so beim Durchfahren zu Gesicht bekommen haben hat auch nicht dazu beigetragen uns ins Stadtzentrum zu ziehen.
Auf dem Weg nach Southerndown, einer Klippenattraktion an der Südküste von Wales, haben wir uns allerdings die kleine Ortschaft Cowbridge angesehen. Lt. Dumont Reiseführer wird Cowbridge heute gern als Bond Street von Wales bezeichnet und soll ein Ort der Schicken und der Reichen sein mit besten Einkaufsmöglichkeiten im gehobenen Preissegment sowie Gourmetadressen und feinen Weinbars. Das wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen – wann bekommt man schon einmal eine walisische Theatiner- oder Maximiliansstr. zu Gesicht!!! Bei Ankunft in dieser sogenannten Nobelgegend sind uns allerdings erst einmal die Gesichtszüge entgleist und ich habe gleich noch einmal im Reiseführer nachgelesen, ob ich mich evtl. vertan habe. Auch eine Verwechslung mit einer anderen Stadt schied aus – wir waren an der richtigen Stelle bzw. in der richtigen Stadt. Es handelte sich dabei jedoch um eines der typischen englischen etwas größeren Dörfer. Auf der Highstreet waren die aus unserer Sicht ganz normalen und alles andere als gehobenen Läden zu finden. Auch keine Spur von Gourmetadressen und Weinbars. Oder diese haben sich nur gut vor uns versteckt. Auch die Häuser machten nicht den Eindruck, als wenn deren Eigentümer zu den Schönen und Reichen gehören. Was waren wir enttäuscht!!!!
Richtig beeindruckend und keinesfalls enttäuschend war die tolle Steilküste bei Southerdown. Die Kliffs dort bestehen aus Schichten von Kalkstein und Lehm. Der Lehm wurde stellenweise vorne ausgewaschen und so entstand eine wellige und sehr pittoreske Optik. Wir hatten auch den richtigen Zeitpunkt für unseren Spaziergang abgepasst. Nachdem es kurz und heftig geregnet hatte schien dann für den Rest des Tages die Sonne. Aber wie die Engländer tragen wir mittlerweile die untertägigen kurzen oder längeren Regenschauer mit Gelassenheit.
Es gibt dann erst mal eine Tasse Tee und bis der getrunken ist scheint auch meist schon wieder die Sonne. Den Gleichmut der Engländer bei Regen werden wir allerdings nie verstehen. Unsereins beeilt sich oder fängt auch gar zu laufen an, wenn es zu regnen oder gar zu schütten beginnt. Der Engländer dagegen fährt mit dem was er gerade macht so fort, als ob die Sonne scheinen würde.
Um den Sonnenschein auszunutzen haben wir dann am späten Nachmittag noch dem National Nature Reserve in Kenfig einen Besuch abgestattet und einen wunderschönen längeren Spaziergang durch die dortige Dünenlandschaft gemacht. Ich habe selten einen so breiten Dünengürtel gesehen. Am dortigen Parkplatz war –oh großes Wunder- kein Schild etc., dass das Parken über Nacht verboten hat. Die Waliser sind diesbezüglich noch schlimmer als der Rest der Nation. Nachdem die Campingplätze in dieser Gegend nicht gerade üppig gesät sind haben wir beschlossen, hier zu übernachten. Der Parkplatz schien ideal – etwas abseits von der Stadt und von der Straße, eingewachsen und wunderschöner Blick ins Grüne und auf das Meer am Horizont und fast keine anderen Autos. Wir haben uns richtig darüber gefreut, nicht mehr auf Campingplatzsuche gehen zu müssen. Unsere Freude währte aber nur bis ca. 22:00 Uhr. Denn dann tauchte ein Auto der Dorfjugend auf und dieses parkte dann im Dunkeln unweit unseres Kastenwagens mit lauter Musik. Ab und an war das Aufglimmen einer Zigarette zu sehen. Mir Angsthasen war das ganze etwas unheimlich und ich habe mir schon die finsteren Szenarien ausgemalt. Robert meinte dazu nur ganz trocken: Glaubst du wirklich, die hängen rauchend und musikhörend Ewigkeiten vor unserem Auto ab, wenn sie uns ausrauben wollen?! Ich muss gestehen, ich konnte mich dieser Logik nicht ganz entziehen und bin dann früher oder später mit einem leichten Grummeln im Bauch eingeschlafen. Allerdings hat einer von den Scherzbolden es furchtbar lustig gefunden uns um 00:30 Uhr aus dem Schlaf zu klopfen. Bis wir allerdings wach waren und das ganze realisiert haben, ist der „Klopfer“ auch schon mit dem Auto davongebraust. In der Früh waren wir dann allerdings ein wenig gerädert. Dies war das erste Mal – und hoffentlich auch das letzte Mal – das wir auf diese Art und Weise „erfreut“ wurden. So schnell kann sich der anfangs perfekte Übernachtungsplatz ins Gegenteil verkehren.
