Von Lærdal nach Aurland kommt man am schnellsten über den im Jahre 2000 eröffneten Lærdalstunnel. Mit einer Länge von 24,5 km hat er den St.-Gotthardt-Tunnel als längsten Straßentunnel der Welt abgelöst. Ich hasse das Fahren im Tunnel – ich fühle mich dabei immer sehr unwohl und habe leichte Beklemmung. Noch dazu über 24 km lang – das ist für mich Grauen pur!! Aber Gott sei Dank gibt es eine viel reizvollere, wenn auch zeitintensivere Alternative: die alte 45 km lange Passstraße, den Snøvegen. Diese ist nur von Juni bis Oktober befahrbar. Dies hätte uns eigentlich zu denken geben müssen. Hat es aber nicht.
Der „Schneeweg“ stellte sich als sehr schmale, eigentlich für nur ein Auto geeignete Passstraße heraus, die durch grandiose Landschaft in engen Serpentinen nach oben führt. Zwischendurch gibt es immer wieder kleine Verbreitungen in der Straße, um evtl. Gegenverkehr passieren lassen zu können. Mein erster Gedanke war, hoffentlich kommt uns keiner entgegen und wenn, dann bitte, bitte nur ein klitzekleiner PKW und nicht ein Lastwagen oder Wohnmobil. Entspannte Beifahrer sehen wirklich anders aus. Vor jeder Kurve schickte ich ein Stoßgebet in Richtung Himmel. Scheinbar haben dies auch schon andere gemacht und ich war in der Warteschlange ganz hinten. Es dauerte auf jeden Fall nicht Lange und uns kam ein riesiger Sattelschlepper mit Anhänger entgegen. Ich war richtig schockiert und hatte schweißnasse Hände. Es war klar, dass wir die A-Karte gezogen haben – der Bergherunterfahrende hat Vorfahrt und wie soll dieses riesige Ungetüm rückwärts den Berg nach oben fahren können. Robert ist dann bravourös bestimmt 150- 200 m rückwärts den Pass wider hinuntergefahren, bis die nächste Ausweichbucht gekommen ist. Die war Gott sei Dank nicht so weit entfernt und hat dann gerade gelangt, dass die beiden Autos aneinander vorbeigekommen sind. Gott sei Dank ist unser Kastenwagen nicht so breit. Den Rest des Weges bis nach oben zum Aurlandsfjell gab es dann -Gott sei Dank- keine weiteren Vorkommnisse und ich konnte den Snøvegen so einigermaßen genießen.
Zu Beginn war die Landschaft wie bei uns im Gebirge, z.B. in Garmisch oder am Tegernsee. Wälder entlang der Straße. Wunderbare malerische Gebirgsbäche, die sich aufgrund des Regens vom Vortag zu reißenden Strömen verwandelt haben, die mit einer ungeheuerlichen Geschwindigkeit in Richtung Tal gedonnert sind. Das Wasser war nur noch weiß von der Gischt. Ein richtiger Hingucker! Auch hier galt, je weiter wir nach oben gekommen sind, um so karger wurde die Landschaft um uns herum. Von der Vegetation ähnlich oder gar gleich der Hardangervidda. Allerdings –und das legt der Name Schneeweg bereits nahe- mit viel mehr Schnee und Eis. Auch war die Landschaft bergiger und nicht lang gestreckt. Es war, als würden wir durch eine traumhafte Winterlandschaft brausen – und das gut Mitte Juni. Allerdings kein Wunder bei einer Passhöhe von 1306m. Die meisten Seen lagen noch unter einer Eisdecke verborgen. Rechts und links der freigeräumten Straße türmte sich teilweise noch der Schnee. Die Temperatur war auf 4° C gesunken. Unsere Begeisterungsausbrüche für diese einmalige Szenerie kannte keine Grenzen. Und das LKW-Abenteuer war dann dadurch schnell vergessen. Meine angespannten Nerven entspannten sich dann auch langsam wieder.
Bei der Passabfahrt in Richtung Aurland gibt es schon ziemlich weit unten eine Aussichtsplattform mit Panoramablick auf den Aurlandsfjord – den Stegastein Viewpoint. Der Ausblick von dort ist wirklich postkartenverdächtig. Er ist so schön, dass er schon fast wieder unwirklich wirkt. Leider war der Himmel komplett zu und kein einziger Sonnenstrahl fiel in den Fjord. Der Ausblick war aber dennoch atemberaubend. Leider wird der Aussichtspunkt touristisch gut vermarktet. Dies führt dazu, dass der Verkehr von Seiten Aurland nach oben zu diesem Aussichtspunkt zunimmt und auch große Reisebusse ihre Personenfracht unbedingt dahinbringen müssen. Der geneigte Leser kann sich sicherlich denken was nun kommt. Vollkommen entspannt und noch berauscht von den Eindrücken vom Aurlandsfjell und dem tollen Panoramablick auf den Aurlandsfjord ging es auf den letzten Teil des Snøvegen. Das erste Mal mussten wir rückwärts bergauf fahren, weil uns 3 Autos entgegenkamen, die wohl meinten zu Dritt sind sie auf der stärkeren Seite. Bergauf fahren mit einem schweren Auto ist eigentlich ein No Go und deshalb hat der Bergabfahrende in solchen Situationen eigentlich Vorfahrt. Mein Robertle hat auch dies wieder sehr souverän hinbekommen. Ich war damit dann schon mal wieder angespannt und konnte gar nicht verstehen, dass Robert noch total entspannt war. Und es kam dann auch noch schlimmer. Dieses Mal war es ein Reisebus und der machte auch gar keine Anstalten zu weichen, sondern erwartete dies von uns. Also bin ich erst einmal raus aus dem Auto –über die Schiebetür, denn die Autotür konnte ich wegen der Leitplanke nicht mehr öffnen- um zu sehen, wie weit die nächste Ausweichbucht entfernt ist. Auch hier waren es Gott sei Dank nur 100 m rückwärts nach oben. Insofern Glück gehabt. Ich hatte nur kurzzeitig etwas Panik, da an der Ausweichbucht ein schmaler unbefestigter Graben war, in dem das Fahrzeug -noch dazu beim Rückwärtsfahren- mit einem Reifen reinkippen kann und dann gibt es kein zurück mehr. Aber da habe ich meinen Mann unterschätzt. Die letzten km nach unten verliefen dann komplikationslos. Ich war dennoch bis zum Ende schweißgebadet und nach wie vor verkrampft. Aber die wirklich einmalige und phantastische Strecke war die Nervenanspannung voll und ganz wert und wurde mehr als aufgewogen. Und mit so einem guten Autofahrer wir meinen Mann an der Seite kann ja eigentlich gar nichts schiefgehen!!!







