Seit jeher faszinieren mich Gletscher. Meine Vorfreude auf den Jostedalsbreen Nationalpark war daher enorm. Mehr als die Hälfte des Nationalparks ist mit dem mächtigen Eis des Jostedalsgletschers bedeckt. Mit seinen 500 km2 ist er ist der größte Gletscher auf dem europäischen Festland. Seine unzähligen Gletscherzungen ergießen sich an den verschiedensten Stellen in ihrer eigenen Form zum Tal. Jede sieht dabei anders aus und ist ein Naturschauspiel für sich. Der Besucher hat die Qual der Wahl welche der Gletscherzungen er besichtigen möchte. Bei der Entscheidung helfen, wieviel Zeit man grundsätzlich für den Nationalpark hat und ob Aktivitäten, wie z.B. Wandern geplant bzw. gewünscht sind. Einige der Gletscherzungen können fast aus dem Auto heraus bewundert werden, andere erst nach einer kurzen oder längeren Wanderung. Bei den meisten kann das Eis nur aus einiger „Entfernung“ bewundert werden und nur bei wenigen ist es möglich auf einfachem Wege direkt bis ans Eis heranzukommen.
Als Einstieg in die Gletscherwelt haben wir das Gletschermuseum in Fjærland besucht. Ein hervorragend gemachtes, sehr abwechslungsreiches Museum für alt und jung in dem alles Wissenswerte zur Entstehung und Veränderung von Gletschern und im Zusammenhang mit Gletschern dargestellt wird. Sogar in deutscher Sprache. Neben den vielen interaktiven Möglichkeiten war der fast 20minütige Film über den Jostedalgletscher mit seinen vielfältigen Gletscherzungen das Highlight für uns. Der Film zeigte alles aus der Kanzel eines Hubschraubers heraus. Wir hatten dabei wirklich das Gefühl in diesem Hubschrauber vorne mit dabei zu sitzen. Einfach unglaublich!!
Fjærland ist aber noch aus einem anderen Grund ein guter Startpunkt. Hier kann man auf ganz einfache und leichte Art zwei der südlich gelegenen Gletscherzungen besichtigen. Nämlich Boyabreen & Supphellebreen. Erstere liegt unmittelbar neben der E5 und schon nach wenigen Metern auf einem guten Weg ist der Gletschersee erreicht. Sofern man sich nicht auf eine mehrstündige Wanderung näher an das Eis heran begibt, ist dieses nur von unten zu bestaunen. Diese Perspektive war für uns allerdings zum Einstand mehr als ausreichend. Das Gletscherblau des Eises schimmerte am Rand und an den Spalten des Gletschers durch. Es ist dieses ganz eigene Blau des Eises, dass mich bzw. uns immer wieder aufs Neue fasziniert. Die „Verunreinigungen“ des Gletschereises an der Oberfläche entstehen durch die Bewegung des Gletschers – es handelt sich hierbei um das Geröll bzw. Abrieb des unter der Zunge liegenden Berges. Wir waren wieder einmal schwer beeindruckt von dieser Macht der Natur.
Nicht allzu weit vom Boyabreen entfernt liegt der Gletscherarm Supphellebreen.
Auch hier gilt, wer dem Eis möglichst nahe oder zumindest näherkommen will, muss sich auf eine mehrstündige nicht ganz so einfachen Tour begeben. Wer dies nicht vorhat, der kann diesen Gletscherarm aus unserer Sicht getrost auslassen. Von der Straße bzw. der Schotterpiste ist nur die äußerste Spitze der Gletscherzunge zu sehen. Nachdem es noch mehrere wirklich sehr spektakuläre Alternativen gibt, ist es den Weg nicht wirklich wert.
Der Nigardsbreen an der östlichen Seite des Nationalparks ist für den normalen Touristen wie uns das absolute Highlight. Er ist der am leichtesten zugängliche Gletscher Norwegens. Er liegt fast im hintersten Winkel des Jostedals. Von Gaupne auf der Straße 604 geht es noch gut 35 km ins Tal hinein. Schon am Eingang zum Nationalpark ist er in seiner ganzen Schönheit gut zu sehen. Nach einer gut 1stündigen Wanderung entlang des Gletschersees steht man direkt vor dem eisblauen Wunder der Gletscherzunge. Der Weg ist für den normal Konditionierten gut zu laufen; er darf allerdings auch nicht unterschätzt werden. Es handelt sich nicht um einen normalen Weg, sondern es geht in einem auf und ab über zum Teil blankgeschliffene Felsen. Einige Stellen sind durch Holzstufen „entschärft“. Trotzdem kann es leicht passieren, dass man ausrutscht oder umknickt. Gutes Wander-Schuhwerk ist daher absolute Pflicht.
Und schon steht man vor dieser gigantischen, zerklüfteten und wunderbar gletscherblau leuchtenden Eismasse. Das ganze Gebilde wirkt so imposant und dennoch fragil. Die einzelnen Eisbrocken wirken wie aus Styropor gemacht oder wie ein riesiges blau eingefärbtes Schaumgebilde. Unter der Gletscherzunge rauscht das Schmelzwasser in einem wahnsinnigen Tempo mit einer unglaublichen Kraft hinab in den Gletschersee. Ein Naturerlebnis, das seinesgleichen sucht! Wer möchte, kann den Gletscher in einer geführten Tour auch besteigen. Ein Vergnügen, auf das wir allerdings verzichtet haben. Der Nigardsbreen ist nicht zu Unrecht eine der Touristenattraktionen schlechthin und ist es wirklich mehr als wert gesehen zu werden.
Und nun noch ein kleiner Tipp für alle, denen der Trubel am Nigardsbreen zu viel, der Weg zu anstrengend ist oder einfach für alle, denen es so geht wie uns und die nie genug von den Gletschern bekommen können. Wirklich nur ein paar Kilometer entfernt vom Nigardsbreen ist die Bergsetbreen zu finden, der steilste Gletscherarm des Jostedalsgletschers. Sie liegt am Ende der Stichstraße in Bergsetdal und zweigt von der Straße 604 (gleiche Straße wie zum Nigardsbreen) vor Gjerde nach Krundalen ab. Aber aufgepasst, an der Straße gibt es keinen Hinweis auf den Gletscherarm zu finden; nur ein Schild mit dem Hinweis Bergset. Das ist vielleicht auch der Grund, warum wir hier keine Menschenmassen angetroffen haben. Wir waren auf der ganzen Strecke nahezu alleine – einfach nur himmlisch!!!
Bereits vom sehr kleinen Parkplatz hat man einen guten Blick auf die sehr breite und gewaltige Gletscherzunge. Auf einer einstündigen einfachen Wanderung (2 Stunden hin & zurück) auf einem gemächlichen flachen Pfad entlang kleiner Flussläufe und durch sattes Grün gelangt man näher an die Gletscherzunge heran. Und analog zum Nigardsbreen hat man beim Hinweg immer wieder tolle Ausblicke auf den Gletscher. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich stehengeblieben bin um den Anblick staunend zu bewundern. Das von mir so geliebte und bewunderte gletscherblaue Eis blinzelt leider beim Bergsetbreen nur vereinzelt hervor. Das tut seinem Reiz jedoch keinen Abbruch. Der Gletscher wirkt hier sehr mächtig und lässt seine ungeheure Kraft erahnen. Er zeigt sich uns hier wieder von einer ganz eigenen bzw. neuen Seite. Es wird uns einfach nicht langweilig die unterschiedlichen Gletscherzungen zu bestaunen. Auch der Halt bei der Bergsetbreen reiht sich nahtlos ein die einzigartigen und einmaligen Gletschererlebnisse. Der Stopp beim Nationalpark Jostedalsbreen und der Besuch mind. einer der Gletscherzungen ist für uns ein absolutes Muss eines jeden Norwegen-Urlaubers.








